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fiel nun Jarno aus seinem Hinterhalte hervor, der Abend verging, die Nachricht, daß der Prinz
wirklich komme, bestätigte sich, man ritt einigemal aus, die Avantgarde in der Nachbarschaft
kampieren zu sehen, das Haus war voll Lärmen und Unruhe, und unsere Schauspieler, die nicht
immer zum besten von den unwilligen Bedienten versorgt wurden, mußten, ohne daß jemand
sonderlich sich ihrer erinnerte, in dem alten Schlosse ihre Zeit in Erwartungen und Übungen
zubringen.
Achtes Kapitel
Endlich war der Prinz angekommen; die Generalität, die Stabsoffiziere und das übrige Gefolge, das
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zu gleicher Zeit eintraf, die vielen Menschen, die teils zum Besuche, teils geschäftswegen
einsprachen, machten das Schloß einem Bienenstocke ähnlich, der eben schwärmen will. Jedermann
drängte sich herbei, den vortrefflichen Fürsten zu sehen, und jedermann bewunderte seine
Leutseligkeit und Herablassung, jedermann erstaunte, in dem Helden und Heerführer zugleich den
gefälligsten Hofmann zu erblicken.
Alle Hausgenossen mußten nach Ordre des Grafen bei der Ankunft des Fürsten auf ihrem Posten
sein, kein Schauspieler durfte sich blicken lassen, weil der Prinz mit den vorbereiteten
Feierlichkeiten überrascht werden sollte, und so schien er auch des Abends, als man ihn in den
großen, wohlerleuchteten und mit gewirkten Tapeten des vorigen Jahrhunderts ausgezierten Saal
führte, ganz und gar nicht auf ein Schauspiel, viel weniger auf ein Vorspiel zu seinem Lobe
vorbereitet zu sein. Alles lief auf das beste ab, und die Truppe mußte nach vollendeter Vorstellung
herbei und sich dem Prinzen zeigen, der jeden auf die freundlichste Weise etwas zu fragen, jedem
auf die gefälligste Art etwas zu sagen wußte. Wilhelm als Autor mußte besonders vortreten, und ihm
ward gleichfalls sein Teil Beifall zugespendet.
Nach dem Vorspiele fragte niemand sonderlich, in einigen Tagen war es, als wenn nichts
dergleichen wäre aufgeführt worden, außer daß Jarno mit Wilhelmen gelegentlich davon sprach und es
sehr verständig lobte; nur setzte er hinzu: »Es ist schade, daß Sie mit hohlen Nüssen um hohle Nüsse
spielen.«  Mehrere Tage lag Wilhelmen dieser Ausdruck im Sinne, er wußte nicht, wie er ihn
auslegen noch was er daraus nehmen sollte.
Unterdessen spielte die Gesellschaft jeden Abend so gut, als sie es nach ihren Kräften
vermochte, und tat das mögliche, um die Aufmerksamkeit der Zuschauer auf sich zu ziehen. Ein
unverdienter Beifall munterte sie auf, und in ihrem alten Schlosse glaubten sie nun wirklich,
eigentlich um ihretwillen dränge sich die große Versammlung herbei, nach ihren Vorstellungen ziehe
sich die Menge der Fremden und sie seien der Mittelpunkt, um den und um deswillen sich alles
drehe und bewege.
Wilhelm allein bemerkte zu seinem großen Verdrusse gerade das Gegenteil. Denn obgleich der
Prinz die ersten Vorstellungen von Anfange bis zu Ende auf seinem Sessel sitzend mit der größten
Gewissenhaftigkeit abwartete, so schien er sich doch nach und nach auf eine gute Weise davon
zu dispensieren. Gerade diejenigen, welche Wilhelm im Gespräche als die Verständigsten gefunden
hatte, Jarno an ihrer Spitze, brachten nur flüchtige Augenblicke im Theatersaale zu, übrigens saßen
sie im Vorzimmer, spielten oder schienen sich von Geschäften zu unterhalten.
Wilhelmen verdroß gar sehr, bei seinen anhaltenden Bemühungen des erwünschtesten Beifalls zu
entbehren. Bei der Auswahl der Stücke, der Abschrift der Rollen, den häufigen Proben, und was
sonst nur immer vorkommen konnte, ging er Melinan eifrig zur Hand, der ihn denn auch, seine
eigene Unzulänglichkeit im stillen fühlend, zuletzt gewähren ließ. Die Rollen memorierte Wilhelm mit
Fleiß und trug sie mit Wärme und Lebhaftigkeit und mit soviel Anstand vor, als die wenige Bildung
erlaubte, die er sich selbst gegeben hatte.
Die fortgesetzte Teilnahme des Barons benahm indes der übrigen Gesellschaft jeden Zweifel,
indem er sie versicherte, daß sie die größten Effekte hervorbringe, besonders indem sie eins seiner
eigenen Stücke aufführte, nur bedauerte er, daß der Prinz eine ausschließende Neigung für das
französische Theater habe, daß ein Teil seiner Leute hingegen, worunter sich Jarno besonders
auszeichne, den Ungeheuern der englischen Bühne einen leidenschaftlichen Vorzug gebe.
War nun auf diese Weise die Kunst unsrer Schauspieler nicht auf das beste bemerkt und
bewundert, so waren dagegen ihre Personen den Zuschauern und Zuschauerinnen nicht völlig
gleichgültig. Wir haben schon oben angezeigt, daß die Schauspielerinnen gleich von Anfang die
Aufmerksamkeit junger Offiziere erregten; allein sie waren in der Folge glücklicher und machten
wichtigere Eroberungen. Doch wir schweigen davon und bemerken nur, daß Wilhelm der Gräfin von
Tag zu Tag interessanter vorkam, so wie auch in ihm eine stille Neigung gegen sie aufzukeimen
anfing. Sie konnte, wenn er auf dem Theater war, die Augen nicht von ihm abwenden, und er
schien bald nur allein gegen sie gerichtet zu spielen und zu rezitieren. Sich wechselseitig
anzusehen war ihnen ein unaussprechliches Vergnügen, dem sich ihre harmlosen Seelen ganz
überließen, ohne lebhaftere Wünsche zu nähren oder für irgendeine Folge besorgt zu sein.
Wie über einen Fluß hinüber, der sie scheidet, zwei feindliche Vorposten sich ruhig und lustig
zusammen besprechen, ohne an den Krieg zu denken, in welchem ihre beiderseitigen Parteien
begriffen sind, so wechselte die Gräfin mit Wilhelm bedeutende Blicke über die ungeheure Kluft der
Geburt und des Standes hinüber, und jedes glaubte an seiner Seite, sicher seinen Empfindungen
nachhängen zu dürfen.
Die Baronesse hatte sich indessen den Laertes ausgesucht, der ihr als ein wackerer, munterer
Jüngling besonders gefiel und der, sosehr Weiberfeind er war, doch ein vorbeigehendes Abenteuer
nicht verschmähete und wirklich diesmal wider Willen durch die Leutseligkeit und das einnehmende
Wesen der Baronesse gefesselt worden wäre, hätte ihm der Baron zufällig nicht einen guten oder,
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